Da draußen ist Musik: Der Sandkorn - Blog
Folge 1 vom 15. Februar 2021
Melodien am Bass, nicht nur das Fundament!
Stuart Zenders Bass-Melodien
Den Bass zur Hand zu nehmen und zu spielen, ist immer eine große Freude. Das Gewicht, die tiefen Klänge aus der Box, die durch einen hindurchgehen. Die Schwingungen, die bei den Saiten beginnen, sich im Holz des Instrumentes verstärken und schließlich im eigenen Körper ankommen. Aber bei aller Liebe: ich bin kein Bassist. Dafür habe ich viel zu großen Respekt vor denjenigen, die es wirklich können. Es gibt da draußen so viele, die großartige Songs schreiben und ihr Instrument auf eine wunderbare Art und Weise beherrschen.
Jamiroquais zweites Album: „The Return Of The Space Cowboy“
Am liebsten mag ich die kleinen Melodien vom Bass. Ohne harmonisches Fundament geht es nicht, aber wenn es jemand schafft, dabei noch melodisch zu spielen, hat er oder sie mich. Stuart Zender, jener Jamiroquai – Bassist der ersten drei Alben, ist so ein Vertreter dieser Art zu spielen. Ich mag die Songs vom „Return Of The Space Cowboy“ – Album sehr, jenem Acid-Jazz-Funk-Gemisch, das noch sehr warm und rau ist und noch nicht so funkelt wie eine Glitzer-Kugel in der Spiegel-Disco.
Schon das Intro des Achteinhalbminuten-Tracks „Just Another Story“ zeigt, wo es lang geht: eine Melodie vom Bass und vom Rhodes leiten das ganze Album ein. Auch in „Lightyears“ spielen Bass, Piano und Moog zusammen die Hook, die sofort hängen bleibt. Bei „The Kids“ wird vom Bass und vom Moog ein melodisch – rhythmisches Geflecht hingelegt, das einen vor Begeisterung fast ins Stolpern bringt, weil es Beine, Bauch und Kopf gleichermaßen beansprucht. Streichersätze und ultrahohe Blechbläser komplettieren das ganze.
In „Mr Moon“ spielt Toby Smith wunderschöne Jazz-Harmonien am Rhodes, Stuart Zender ist hier sehr perkussiv unterwegs und bringt trotzdem seine Melodien unter. „Space Cowboy“ ist so etwas wie das entspannte Album-Outro. Auch hier ist der Bass-Part so gespielt, dass alles zusammenkommt: Rhythmus, Melodie und Entspanntheit. Seltsam ist allerdings, dass man diese Eigenschaften bei der damaligen Single-Version nicht findet. Sie klingt eher nervös und überdreht.
Wärmer geht’s nicht: „Manifest Destiny“
Die Bassmelodie von „Manifest Destiny“ gehört für mich – trotz des ernsten Songtextes – zu den schönsten musikalischen Elementen auf diesem Album. Eine Melodie aus heiterem Himmel, eingängig, aber kein bisschen simpel (der 6. Ton!). Ansonsten ist alles gleichzeitig vorhanden: Fundament, Groove und Melodie. Vielleicht kann man es sogar mit dem „So What“ – Bassthema von Paul Chambers vergleichen, das er 1959 für Miles Davis‘ Album „Kind Of Blue“ aufnahm . Auch die ungeheure Wärme dieser Musik durchdringt einen augenblicklich. An der Stelle, an der das Piano einsetzt, hat man für einen Moment den Eindruck, dass am Tempo einer analogen Bandmaschine gedreht wurde.
Doch nur eine Stevie Wonder – Kopie?
Spätestens hier kommen einem die Stevie Wonder – Alben der 70er in den Sinn, besonders „Songs In The Key Of Life“. Über den Vorwurf, Jay Kay hätte Stevie Wonder nur kopiert, ist vor langer Zeit schon genug geschrieben worden. Vergleicht man einzelne Tracks, fallen einem gewisse Ähnlichkeiten im Sound oder der Grundstimmung auf, das war’s dann aber auch. Auffallend ist z.B., dass Stevie Wonder in dieser Zeit viel mit verschiedensten Synthesizern experimentiert hat und es Passagen gibt, die wie ein Vorgriff auf die 80er klingen. Jamiroquais zweites Album bleibt da dem Moog treu. Die typische Klangfarbe ergibt sich oft aus einer Mischung von Bass-, Moog- und Klavierklängen.
Ich hatte damals das große Glück das Album auch live zu hören, ich glaube es war im Düsseldorfer Stahlwerk. Es war ein Konzert in einem rauschartigen Zustand, den ich sonst nur bei den dreistündigen Maceo Parker – Konzerten der 90er erlebt habe.
Nach Jamiroquai
Seit seinem Abschied bei Jamiroquai während der Aufnahmen zum vierten Album (1998) hat Stuart Zender bei vielen Aufnahmen anderer Künstler Bass gespielt oder war als Co-Autor aktiv. Auf seiner Webseite und den Social-Media-Kanälen beschleicht einen das Gefühl, dass ihn die Zeit bei Jamiroquai nicht ganz loslässt. An vielen Stellen verweist er auf die Tatsache, dass er der Co-Autor vieler Jamiroquai-Songs der ersten drei Alben sei. Das ist sein gutes Recht, nicht nur wegen der vielen Bass-Melodien.
Mehr vom Wolkenrekorder
Wolkenrekorder ist Musiker und Gründer von Sandkorn Records. Er mag alte Saxofone, besonders sein Buescher-Aristocrat und Klaviere aller Art. Elektronische Klangerzeuger, sphärische Sounds, sowie analoge Geräte wie Mischpulte, Mikrofone, Kassettendecks und Plattenspieler haben es ihm ebenfalls angetan.
Kontakt: info(at)wolkenrekorder.de
Wolkenrekorder
Musik schafft eine Verbindung zum Rest der Welt und sie trennt mich ebenso von diesem. Sie ist Rückzugsort und das, was mich aufwühlt oder mir Frieden bringen kann. Sie war immer unübersichtlich, also sammle ich sie und steckte sie in Schubladen, heute in Playlists. Ich kann beschreiben, was mich an einem Song fasziniert und trotzdem erwischt es mich immer wieder an einer Stelle, die ich nicht erwartet habe.